Die International Coach Federation ICF hat am 27.11.2013 vor mehr als hundert Gästen Unternehmen aus Berlin mit dem Berliner Coaching Preis ausgezeichnet. Die Prämierten haben mit Hilfe von Coaching innovative Wege eingeschlagen, um produktiver und erfolgreicher zu sein als ihre Wettbewerber. Diese Auszeichnung wurde im Rahmen eines Symposiums mit prominenten Rednern aus Wissenschaft und der Coachingszene verliehen. Die Neurowissenschaftlerin Dr. Karolien Notebaert berichtete direkt aus der Forschung über Selbstkontrolle und Entscheidungsfindung. Die Inhaberin der Dr. Bock Coaching Akademie und Preisträgerin des Coaching Awards 2012, Frau Dr. Petra Bock, erklärte, wie wir der Selbstsabotage begegnen können.
Verleihung des Berliner Coachingpreises 2013 vor mehr als 100 Gästen
„Wir haben mit vielen Unternehmen gesprochen, um zu herauszufinden, wie sie die persönliche Entwicklung von Mitarbeitern fördern und gleichzeitig ihr Unternehmen stärken“, berichtete Martin Jessen von der ICF Berlin vor der Preisverleihung. „Die Resonanz war gemischt. Einige gaben offen zu, noch in den Anfängen zu einer neuen Personalentwicklung zu stecken. Umso mehr freuten uns die guten Ansätze, die wir bei den nominierten Unternehmen als Good Practice auszeichnen möchten“, so Jessen.
Kategorie Konzerne
In der Kategorie Konzerne wurden der Aufzughersteller Otis sowie die DB Mobility Logistic AG ausgezeichnet. Der erste Preis für besonders innovative Wege in der Personalentwicklung ging an die BMW Motorrad-Werke Berlin.
Kategorie KMU
In der Kategorie kleine und mittelständische Unternehmen wurde der Online-Optiker Mister Spex für seine Personalentwicklung ausgezeichnet. Das Mitarbeiter-Coaching ist im dynamischen Umfeld des jungen wachstumsstarken Betriebs ein wichtiges Instrument für den Unternehmenserfolg. Der erste Preis ging in dieser Kategorie an die Personalberatung i-Potentials.
Kulturwandel in Konzernen
OTIS begann bereits 2008 mit dem Coaching für Führungskräfte aus dem mittleren Management und hat seither Coaching auch im Trainingskontext nach und nach in die Unternehmenskultur integriert. Coachingtools wie die Arbeit mit Werten und blockierenden Überzeugungen sind feste Bestandteile aller Leadershiptrainings Das zeigt Wirkung. Coaching wird mittlerweile von Mitarbeitern aktiv angefragt bzw. bei der Übernahme neuer Funktionen als begleitende Maßnahme mit verhandelt, berichtet Birgitta Sand, interner Coach bei OTIS. Der fortlaufende Kulturwandel lässt auch die DB Mobility Logistic AG neue Wege in der Personalentwicklung einschlagen. In wenigen Jahren wurde Coaching zu einem akzeptierten Standard der Personalentwicklung und ist nun ein fester Bestandteil der Kompetenzförderung.
Um exzellent zu sein braucht es Unterstützung
Im Rahmen einer Exzellenz-Initiative setzt BMW Motorradwerke schon seit langem Coaching neben Trainings und Weiterbildung ein. Doch Susann Kempe, Leiterin Personalentwicklung in Berlin wollte einen Schritt weitergehen. „Unser Ziel war es, alle einhundert Führungskräfte innerhalb von eineinhalb Jahren in einen Dialog über Führungsverständnis und Strategieumsetzung zusammenzubringen.“ Dazu hat das Team um Susann Kempe die Lernwerkstatt aufgebaut. Auf 400 Quadratmetern entstand ein eigener Ort für persönliche Veränderungen und Entwicklung im Team. Jeder Raum ist eine Station im Coachingprozess: Wer führt? fragt beispielsweise eine Tafel über einem Spiegel. „Wir haben die Räume so angelegt, dass die Besucher immer wieder neue Perspektiven auf die aktuelle Fragen einnehmen können“, berichtet Susann Kempe. So erforschen Teams in einem Raum ihre eigenen Stärken, in einem anderen liegt der Schwerpunkt auf den Wertevorstellungen. Damit entsteht ein gemeinsames Bild von der Zukunft. „Ziel war es, die roten Fäden aus den Seminaren, Trainings und sonstigen Maßnahmen besser miteinander zu verweben.“
Der Preisträger BMW mit den Chapter-Hosts Martin Jessen und Ingo Schmökel
Unternehmenswachstum setzt persönliches Wachstum voraus
Ein Arbeitsplatz soll der Ort sein, an den Sie immer wieder gern kommen. Ist das Wunschdenken? Nicht für Constanze Buchheim, Geschäftsführerin und Gründerin von i-Potentials, einer Personalberatung für die digitale Welt. „Ich will diese Begeisterung, dieses hundertprozentige Ja zum Unternehmen von meinen Mitarbeitern. Dazu müssen die Potentiale der Mitarbeiter und die Anforderungen des Unternehmens so gut wie möglich übereinstimmen. Erst dann ist das Unternehmen der Ort, an dem Du dich wohlfühlst.“
Der Erfolg gibt ihr Recht: im Internet-Arbeitnehmerportal kununu, auf dem Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber bewerten, gelang es dem jungen Berliner Unternehmen i-Potentials auf Anhieb unter die Top10 zu kommen. „Außerdem stieg die Zahl der Initiativ-Bewerber sprunghaft an, die sich speziell wegen der Entwicklungsmöglichkeiten und der Wertschätzung im Unternehmen beworben hatten.“ Die neue Arbeitnehmergeneration wird beschrieben als ehrgeizig, technikaffin, vernetzt und weltoffen. Und anspruchsvoll: Für sie stehen Werte im Vordergrund wie Transparenz, flache Hierarchien, Freiheit für eigenen Ideen sowie Zeit für Familie und Freunde. Das erfordert Unternehmen mit neuen Ideen in der Personalentwicklung. Für den strategischen Einsatz von Coaching als Lern- und Entwicklungsplattform für alle Mitarbeiter wurde i-potentials mit dem Berliner Coaching-Preis in der Kategorie KMU ausgezeichnet.
Preisträgerin Constanze Buchheim, Gründerin und Geschäftsführerin der Personalberatung i-potentials
Keynote von Dr. Karolien Notebaert:
Wie Sie Ihre Selbstkontrolle nachhaltige stärken
„Ihr Gehirn ist so intelligent angelegt, dass Sie über Ihre Grenzen hinauswachsen können“, war die These von Dr. Karolien Notebaert in ihrer Rede zur Preisverleihung. Doch warum passiert es dann immer wieder, dass wir kurzfristigen Impulsen den Vorrang einräumen gegenüber unseren langfristigen Zielen? Impulse kommen Bottom up aus dem limbischen System des Gehirns. Sie entstehen schnell, mühelos und drängen zu einer schnellen Entscheidung. Diesen Impulsen können wir nicht entkommen, aber wir können mit ihnen „verhandeln“. Die Verhandlungen gehen vom präfrontalen Cortex aus, der eher Top-down die bewussten Ziele der Person verarbeitet. Leider arbeitet dieses System eher langsam, mühsam, hat viele andere Aufgaben und nur eine begrenzte Kapazität. Das zwingt die Selbstkontrolle im Alltag oft in die Knie, besonders dann, wenn der präfrontale Cortex ohnehin überlastet ist. Ein gesundes ausgewogenes Training ist der erste Schritt in die richtige Richtung.
Dr. Karolien Notebaert zum Thema „Self-Control“
Notebaert stellt dazu ein Drei- Schritt-Programm vor:
Erstens: Vermeiden Sie eine Überanstrengung des präfrontalen Cortex. Jeder Mensch hat andere Faktoren, die die Selbstkontrolle schwächen. Erforschen Sie Ihre Schlüsselfaktoren im Alltag.
Zweitens: Lösen Sie den Konflikt zwischen den beiden inneren Systemen. Besonders hilfreich ist es, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und erst einmal zu akzeptieren, dass das limbische System bestimmte Gefühle wie Erschöpfung, Wut oder Unsicherheit meldet. Und vor allem: Gönnen Sie sich eine Pause, wenn das limbische System Sie auf die Probe stellt.
Drittens: Trainieren Sie Ihre Selbstkontrolle durch einfache aber regelmäßige Übungen. „Besuchen Sie beispielsweise öfter Ihre Schwiegermutter oder reden Sie mit einem eher schwierigeren Kollegen.“, rät Frau Notebaert. „Versuchen Sie, diese Begegnungen wirklich zu genießen. Es lohnt sich, denn Sie werden damit belohnt, dass Ihre Selbstkontrolle auch in anderen Bereichen gestärkt wird, z. B. beim Ausfüllen der Steuererklärung.“, verspricht Frau Notebaert.
Keynote von Dr. Petra Bock:
Veränderung beginnt im Kopf und endet oft dort – Selbstsabotage wirkungsvoll überwinden
Was bringt Systeme zum Einstürzen? Was macht Menschen mutig und aktiv, um sich für bessere Lebensbedingungen einzusetzen? Das hat sich Petra Bock als junge Wissenschaftlerin in den 90er Jahren angesichts vieler Umbrüche in Osteuropa und Südafrikagefragt. Veränderungen beginnen im Kopf – und dort enden sie auch viel zu oft. Dabei stehen wir vor drei großen Herausforderungen: Der globalen Vernetzung, dem demografischen Wandel und dem Wunsch nach mehr Lebensqualität und Entfaltung von immer mehr Menschen. Das erfordert ein neues Lernen im Umgang mit Komplexität. Coaching ist mehr als mentale Wellness. Es soll nicht nur das Bewusstsein verändern, sondern handlungsrelevant sein. „Oft stecken wir in parallelen inneren Welten mit einer eigenen Logik fest.“, betont Petra Bock. „ So erkannte eine Wissenschaftlerin mit einem Patent zur Früherkennung einer schweren Krankheit, das sie tief innen glaubte, das Geld der Investoren für die Weiterentwicklung ihrer Erfindung stehe ihr nicht zu. Ein Investmentbanker träumt von einem eigenen Geschäft im Sportbereich und arbeitet doch verbissen weiter, bis ein Freund und Kollege mit einem Herzinfarkt zusammenbricht“, so Petra Bock.
Dr. Petra Bock, Keynote-Speach zum Thema Selbsabotage
Selbstsabotage hat viele Gesichter, die sie „Mindfuck“ nennt und die ein in sich geschlossenes System von blockierenden Gedanken mit einer eigenen Logik sind : Wir malen uns Katastrophenszenarien aus, verleugnen uns selbst, bewerten uns ständig, erhöhen den Druck, zwingen uns nach alten, überholten Regeln zu arbeiten, misstrauen uns oder geraten durch Euphorie in einen suchtähnlichen Zustand. „In welcher Welt sind diese Muster sinnvoll?“, fragt Petra Bock. Sie erinnert daran, dass noch die Generation unserer Eltern Sicherheit in Autoritären und Strukturen gesucht hat. Doch diese sind in der globalen Welt der Komplexität nicht mehr hilfreich. Heute braucht es Innovation statt Autorität. Dieser Wandel findet in den Köpfen und Herzen statt. „Und niemand ist so nah an diesem Wandel wie Coaches, die jeden Tag ihre Klienten unterstützen, aus dieser alten Logik auszubrechen.“, so Petra Bock.